Überweidung – wenn die Weide keine Ruhe bekommt
Warum Überweidung so häufig ist
Viele Pferdehalter merken erst spät, dass ihre Weide übernutzt ist. Oft wirkt die Fläche auf den ersten Blick gar nicht schlecht: Es stehen noch Halme, die Pferde grasen ruhig, und ein wenig Grün ist überall vorhanden. Genau das ist trügerisch. Überweidung beginnt nicht erst, wenn der Boden blank ist – sie setzt ein, sobald die Gräser keine Zeit mehr haben, sich zu regenerieren. Eine überweidete Fläche entsteht, wenn Pferde länger oder intensiver fressen, als die Pflanzen nachwachsen können. Die Folge ist ein Kreislauf aus Wachstumsstress, Nährstoffverarmung und Bodenschäden. Häufige Ursachen sind zu hohe Besatzdichten, zu lange Beweidungszeiten ohne Ruhe, fehlende Flächenrotation oder ungünstige Zeitpunkte im Frühjahr und Herbst.
Woran man Überweidung erkennt
Ein typisches Merkmal überweideter Flächen ist die ungleichmäßige Grasnarbe. Zwischen sehr kurzen, stark abgefressenen Bereichen stehen lange, überständige Büschel, die von Pferden kaum noch gefressen werden. Auf den ersten Blick scheint also Futter da zu sein; tatsächlich nehmen die Tiere nur noch das kurze, zarte Grün zwischen den alten Halmen auf. Gerade diese kurzgefressenen Streifen sind ein klares Warnsignal. Im Verlauf entstehen Kahlstellen und Trittschäden, der Boden verdichtet, verliert Elastizität und nimmt Wasser schlechter auf. Gleichzeitig breiten sich Arten aus, die mit Stress gut zurechtkommen, etwa Weißklee, Hahnenfuß, Gemeine Rispe, Wegerich oder Ampfer. In feuchten Jahren zeigen sich Moos und Verschlammung, in Trockenphasen Staubboden und Risse.
Was Überweidung für Pflanzen, Boden und Pferde bedeutet
Für die Pflanzen hat Überweidung gravierende Folgen. Wertvolle, tiefwurzelnde Gräser wie Wiesenrispe, Knaulgras oder Wiesenlieschgras werden immer wieder sehr tief abgefressen und langfristig verdrängt. Häufig setzt sich Deutsches Weidelgras durch, das mit Dauerstress besser klarkommt, für Pferde aber ungünstig ist. Unerwünschte Arten wie Hahnenfuß nutzen Lücken und verändern den Bestand nachhaltig. Der Boden leidet parallel: Trittschäden und Verdichtung führen zu Sauerstoffmangel im Wurzelraum, das Bodenleben nimmt ab, Humus baut sich zurück, Wasser staut sich oder läuft oberflächlich ab. Die Fläche wird sowohl für Nässe als auch für Trockenheit empfindlicher und regeneriert langsamer. Auch für die Pferde ist eine überweidete Weide problematisch. Das immer wieder neu austreibende „Stressgras“ enthält viel Zucker und Fruktan, was das Risiko für Hufrehe, EMS und Verdauungsprobleme erhöht. Zudem können in gestressten Gräsern vermehrt Endophyten vorkommen – Pilze, die toxische Substanzen bilden und bei Pferden gesundheitliche Probleme bis hin zu Fruchtbarkeitsstörungen verursachen können. Mit fortschreitender Überweidung steigt außerdem die Gefahr, dass giftige Beikräuter aufgenommen werden.
Wie man Überweidung vermeidet
Vorbeugung beginnt mit der richtigen Nutzungshöhe: Beweiden erst ab etwa 15 Zentimetern Grashöhe und Abtrieb, sobald rund acht bis zehn Zentimeter Rest stehen bleiben. Zwischen den Weidephasen braucht jede Fläche ausreichend Ruhe – je nach Wachstum drei bis fünf Wochen. Statt Dauerbeweidung sollte die Weide in Abschnitte aufgeteilt und als Umtriebs- oder Portionsweide geführt werden. Beweidung bei Nässe oder aufweichenden Böden ist zu vermeiden, um Trittschäden vorzubeugen. Ebenso wichtig sind Pflegearbeiten: Schleppen nach der Nutzung, Striegeln zur Belüftung, gezielte Nachsaat mit pferdegerechten, trittfesten Gräsern und maßvolle, analysebasierte Düngung. Für Dauerweiden hat sich als Richtwert etwa ein Pferd pro zwei Hektar bewährt; so bleibt die Grasnarbe auch bei wechselnder Witterung stabil.
Was tun, wenn die Weide bereits geschädigt ist?
Ist die Überweidung fortgeschritten, hilft nur konsequente Erholung. Die Fläche sollte mehrere Wochen, bei stärkeren Schäden auch eine ganze Saison ruhen. Anschließend wird der Boden im Frühjahr oder Herbst gelockert und belüftet, geeignete Gräser nachgesät und mit leichter organischer Düngung beim Wurzelaufbau unterstützt. Stark zerstörte Flächen können im Spätsommer neu angelegt werden. Entscheidend ist, das Nutzungssystem im Anschluss umzustellen – etwa auf Umtriebs- oder Portionsweide – damit sich der Schaden nicht wiederholt.
Fazit
Überweidung ist kein unvermeidbares Naturereignis, sondern ein Managementproblem. Sie beginnt schleichend – dort, wo Pferde nur noch das kurze, zarte Gras zwischen langen, alten Halmen fressen – und endet in einem labilen, artenarmen Bestand mit verdichtetem Boden und erhöhten Gesundheitsrisiken. Wer Weiden rechtzeitig entlastet, Regenerationsphasen einplant und Pflege konsequent in den Jahresablauf integriert, erhält eine stabile Grasnarbe und eine pferdegerechte Futtergrundlage für viele Jahre.
