Heu bedampfen und wässern
Heu ist ein empfindliches Futtermittel, das leicht mit Staub, Schimmelsporen und Mikroorganismen belastet sein kann. Für viele Pferde stellt das kein Problem dar, doch Tiere mit Atemwegs- oder Stoffwechselerkrankungen reagieren oft empfindlich auf diese Belastungen. In solchen Fällen greifen Pferdehalter auf Aufbereitungsverfahren zurück, um das Futter hygienisch zu verbessern oder bestimmte Inhaltsstoffe zu verändern. Die beiden gängigsten Methoden sind das Wässern und das Bedampfen. Beide können nützlich sein, erfordern aber ein gutes Verständnis ihrer Wirkung und Grenzen.
Wässern
Beim Wässern wird Heu vollständig in Wasser eingelegt, um Staub und wasserlösliche Bestandteile wie Zucker und Fruktane auszuschwemmen. Die Dauer des Einweichens bestimmt das Ergebnis: Nach etwa 10 bis 15 Minuten werden vor allem Staub und Schimmelsporen gebunden, nach 30 bis 60 Minuten sinkt zusätzlich der Zuckergehalt des Heus um bis zu 30 Prozent. Wird das Heu jedoch länger als zwei Stunden im Wasser belassen, beginnen Gärprozesse, bei denen sich Hefen und Bakterien stark vermehren. Das Futter verliert dann seine hygienische Qualität und darf nicht mehr verfüttert werden.
Die Umgebungstemperatur spielt beim Wässern eine entscheidende Rolle. Im Sommer, wenn die Temperaturen über 20 Grad liegen, beginnt das Wasser rasch zu verkeimen. Mikroorganismen vermehren sich innerhalb kurzer Zeit, und das Heu kann binnen weniger Stunden unangenehm riechen oder sogar schimmeln. Im Winter ist das Risiko geringer, da sich Bakterien und Hefen bei niedrigen Temperaturen deutlich langsamer entwickeln. Bei Frost ist das Verfahren jedoch kaum praktikabel: Wasser und Heu frieren schnell ein, die Struktur des Futters wird zerstört, und gefrorenes Heu kann zu Verdauungsproblemen führen. Daher sollte Heu nur bei frostfreien Bedingungen gewässert werden.
Das Heu sollte nach dem Wässern vollständig abtropfen und möglichst innerhalb weniger Stunden verfüttert werden. Reste sollten entsorgt werden, da sie bei längerem Liegen schnell verderben. Wässern kann den Zuckergehalt deutlich senken und eignet sich damit für Pferde mit Stoffwechselerkrankungen wie EMS oder Cushing. Es hat jedoch auch Nachteile: Neben Zucker werden auch Mineralstoffe wie Natrium, Kalium und wasserlösliche Vitamine ausgewaschen, was die Nährstoffdichte reduziert. Zudem verbessert das Verfahren die hygienische Qualität nicht – es verringert nur die Staub- und Zuckermenge.
Bedampfen
Beim Bedampfen wird Heu mit heißem Wasserdampf behandelt, um Staub, Schimmelsporen und Bakterien weitgehend abzutöten. Das Verfahren dient also nicht der Nährstoffveränderung, sondern der hygienischen Aufbereitung. Entscheidend ist, dass im Inneren des Heus eine Temperatur von mindestens 80 Grad Celsius erreicht wird. Nur dann werden Mikroorganismen sicher abgetötet. Bleibt die Kerntemperatur darunter, ist das Bedampfen kontraproduktiv: Die verbleibende Feuchtigkeit schafft ideale Bedingungen für das Wachstum von Bakterien und Schimmel, sobald das Futter abkühlt.
Die Bedampfungsdauer liegt je nach Gerät und Menge bei etwa 50 bis 90 Minuten. Professionelle Heubedampfer sorgen für eine gleichmäßige Wärmeverteilung und erreichen zuverlässig die erforderlichen Temperaturen. Selbstgebaute Geräte schaffen das oft nicht, insbesondere im Ballenkern. Zu hohe Temperaturen über 100 Grad sind selten, können aber zu leichten chemischen Veränderungen führen, etwa durch sogenannte Maillard-Reaktionen. In diesem Fall karamellisieren kleine Mengen an Zuckern, was zu einem süßlichen Geruch und einer leicht verringerten Nährstoffverfügbarkeit führen kann. Dieses Risiko ist jedoch deutlich geringer als das einer unzureichenden Erhitzung.
Richtig ausgeführt, verbessert das Bedampfen die Futterhygiene erheblich. Es reduziert die mikrobielle Belastung um bis zu 99 Prozent, senkt die Staubbelastung und macht das Futter für Atemwegspatienten besser verträglich. Das Heu sollte nach der Behandlung innerhalb von 24 Stunden verfüttert werden, da sich bei Raumtemperatur erneut Keime vermehren können. Bedampftes Heu darf nie luftdicht aufbewahrt werden.
Einfluss auf die Inhaltsstoffe
Das Bedampfen verändert die Zusammensetzung des Heus nur geringfügig. Energie- und Rohfasergehalt bleiben weitgehend erhalten, ebenso die Mineralstoffverhältnisse. Wasserlösliche Vitamine gehen in kleinerem Umfang verloren, was in der Regel ohne Bedeutung ist, wenn das Pferd ausgewogen gefüttert wird.
Der Rohproteingehalt bleibt nahezu gleich, allerdings sinkt die Verwertbarkeit des Proteins. Durch die Erhitzung reagieren Eiweißverbindungen chemisch, wodurch sie nicht mehr vollständig aufgeschlossen werden können. Bei Heu mit ohnehin niedrigem Eiweißgehalt kann dieser Effekt auch für Freizeitpferde relevant sein, also genau für jene Gruppe, die am häufigsten bedampftes Heu erhält. Eine geringere Eiweißverfügbarkeit kann auf Dauer zu leichten Mangelerscheinungen führen, etwa zu schlechter Muskulatur oder stumpfem Fell. In solchen Fällen kann eine Ergänzung mit eiweißreichen Futtermitteln wie Esparsette oder Luzerne sinnvoll sein.
Praxis, Nutzen und Grenzen
Wässern und Bedampfen haben unterschiedliche Einsatzgebiete. Wässern eignet sich, wenn der Zuckergehalt gesenkt werden soll oder Heu kurzfristig entstaubt werden muss. Bedampfen ist das Mittel der Wahl, wenn die Futterhygiene verbessert werden soll oder Pferde unter Atemwegsproblemen leiden. Beide Verfahren erfordern jedoch Sorgfalt. Gewässertes Heu muss unmittelbar verfüttert werden, bedampftes innerhalb eines Tages. Reste dürfen nicht wiederverwendet werden.
Beide Verfahren sind kein Ersatz für hochwertiges, trockenes und hygienisch einwandfreies Heu. Sie können Schwächen des Futters abmildern, aber kein verdorbenes Heu wieder brauchbar machen. Besonders beim Bedampfen gilt: Wird die erforderliche Temperatur im Ballenkern nicht erreicht, kann das Verfahren mehr schaden als nützen.
Wässern ist dagegen eine kurzfristige, aber arbeitsintensive Lösung, die mit hohen Wasser- und Mineralstoffverlusten einhergeht. Zudem kann das Heu bei warmem Wetter sehr schnell verderben. Beide Methoden sollten deshalb gezielt und nur dann eingesetzt werden, wenn ein konkreter gesundheitlicher oder fütterungstechnischer Grund besteht.
Fazit
Wässern und Bedampfen können die Futterqualität für bestimmte Pferde verbessern, haben aber jeweils klare Grenzen. Wässern reduziert Zucker, Bedampfen senkt die Keimbelastung – beides kann sinnvoll sein, wenn es richtig angewendet wird. Unsachgemäß durchgeführt, kann jedoch das Gegenteil erreicht werden. Besonders beim Bedampfen ist die richtige Temperatur entscheidend, beim Wässern die hygienische Handhabung und die Witterung. Beide Verfahren sind Hilfsmittel, aber in den meisten Fällen keine Dauerlösung. Die beste Grundlage bleibt ein gutes, trockenes und sorgfältig gelagertes Heu, bei dem dann weder Bedampfen noch Wässern notwendig ist.
