Selen beim Pferd
Selen gehört zu den Spurenelementen, die im Körper des Pferdes nur in sehr kleinen Mengen benötigt werden, gleichzeitig aber eine zentrale Rolle im Stoffwechsel spielen. Gerade diese Kombination macht Selen besonders sensibel. Sowohl ein Mangel als auch eine Überversorgung können gesundheitliche Probleme verursachen. In der Praxis ist Selen deshalb eines der am häufigsten diskutierten Spurenelemente in der Pferdefütterung.
Wofür der Körper Selen braucht
Im Organismus ist Selen vor allem Bestandteil verschiedener Enzyme, die für den Schutz der Zellen vor oxidativem Stress verantwortlich sind. Diese sogenannten antioxidativen Enzymsysteme helfen, schädliche Stoffwechselprodukte abzufangen und Zellstrukturen zu schützen. Darüber hinaus ist Selen an der Funktion der Muskulatur beteiligt, unterstützt das Immunsystem und spielt eine Rolle im Schilddrüsenstoffwechsel. Eine ausreichende Versorgung ist daher wichtig für Leistungsfähigkeit, Regeneration und allgemeine Belastbarkeit des Pferdes.
Wo Selen im Futter vorkommt
In der natürlichen Fütterung stammt Selen aus dem Grundfutter, also aus Heu und Weide. Die Selengehalte schwanken jedoch stark und sind abhängig von den Böden, auf denen die Pflanzen wachsen. In vielen Regionen sind die Böden eher selenarm, sodass auch das Grundfutter nur geringe Mengen enthält. Dennoch führt dies nicht automatisch zu einem klinisch relevanten Selenmangel. Entscheidend ist nicht allein die absolute Zufuhr, sondern auch, wie gut Selen im Körper verwertet werden kann.
Wie es zum Selenmangel kommen kann
Ein Selenmangel entsteht häufig nicht durch eine zu geringe Aufnahme, sondern durch Störungen im Stoffwechsel. Besonders der Darm spielt hierbei eine zentrale Rolle. Eine gestörte Darmflora kann die Aufnahme und Weiterverwertung von Spurenelementen erheblich beeinträchtigen. Auch chronische Entzündungen, oxidative Belastungen oder bestimmte Stoffwechselbesonderheiten können dazu führen, dass Selen im Körper nicht ausreichend verfügbar ist, obwohl es über das Futter zugeführt wird. In diesen Fällen zeigt sich im Blutbild möglicherweise ein niedriger Selenwert, ohne dass die Ursache allein in der Fütterung liegt.
Warum organisches Selen mehr Probleme verursachen kann
In der Praxis wird bei einem festgestellten Selenmangel häufig direkt zu hoch dosierten Selenpräparaten gegriffen, insbesondere zu organisch gebundenem Selen. Diese Form wird vom Körper sehr gut aufgenommen, was zunächst positiv erscheint. Genau hierin liegt jedoch auch ein Risiko. Organisches Selen wird kaum reguliert aufgenommen und kann sich im Körper anreichern. Bei längerfristiger oder ungezielter Gabe kann es zu einem sogenannten Rebound-Effekt kommen: Nach dem Absetzen fällt der Selenstatus erneut ab oder es entstehen sogar neue Ungleichgewichte im Stoffwechsel. Zudem kann eine zu hohe Verfügbarkeit von Selen Prozesse im Stoffwechsel verschieben, ohne die eigentliche Ursache des Mangels zu beheben.
Aus diesem Grund kann die Gabe von organischem Selen mehr Probleme verursachen, als sie löst, wenn sie nicht gezielt und zeitlich begrenzt eingesetzt wird. Besonders kritisch ist dies, wenn gleichzeitig Darmprobleme bestehen oder andere Spurenelemente im Ungleichgewicht sind. In solchen Fällen wird lediglich ein Symptom behandelt, während die eigentliche Ursache bestehen bleibt.
Warum anorganisches Selen oft der bessere Weg ist
Für die Grundversorgung und auch bei leichten Defiziten ist deshalb ein Mineralfutter mit anorganischem Selen häufig die bessere Wahl. Anorganisches Selen wird vom Körper regulierter aufgenommen und überschüssige Mengen werden eher begrenzt verwertet. Dadurch sinkt das Risiko einer ungewollten Überversorgung. Gleichzeitig kann sich der Stoffwechsel schrittweise stabilisieren, ohne abrupt belastet zu werden.
Therapieansatz: Ursachen beheben statt nur Werte anheben
Entscheidend ist jedoch, dass eine Selenversorgung niemals isoliert betrachtet werden sollte. Liegt ein Selenmangel vor, müssen immer auch die zugrunde liegenden Ursachen berücksichtigt werden. Eine gestörte Darmflora, chronische Entzündungen oder spezielle Stoffwechselprobleme können dazu führen, dass Selen trotz ausreichender Zufuhr nicht effektiv genutzt wird. In solchen Fällen ist der Aufbau einer stabilen Darmflora und die Entlastung des Stoffwechsels ein zentraler Bestandteil der Therapie. Erst wenn diese Grundlagen verbessert werden, kann sich auch der Selenstatus nachhaltig normalisieren.
Fazit
Selen ist ein essentielles, aber hoch sensibles Spurenelement. Ein Mangel entsteht häufig nicht durch fehlende Zufuhr, sondern durch eine gestörte Verwertung im Körper. Hoch dosierte oder ungezielte Gaben, insbesondere von organischem Selen, können das Gleichgewicht weiter verschieben und langfristig neue Probleme verursachen. Eine bedarfsgerechte Grundversorgung über ein ausgewogenes Mineralfutter mit anorganischem Selen, kombiniert mit der Behandlung der zugrunde liegenden Stoffwechsel- und Darmprobleme, ist in den meisten Fällen der nachhaltigere Weg zu einer stabilen Selenversorgung.
