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Luzerne, Esparsette und Grünhafer

Esparsette, Luzerne und Grünhafer werden häufig als gesunde Alternativen zu klassischem Kraftfutter eingesetzt. Dabei gelten sie vielen Pferdehaltern als „strukturreich“ und damit automatisch als förderlich für Verdauung und Stoffwechsel. Um ihren tatsächlichen Nutzen richtig einzuordnen, ist es jedoch wichtig, zwischen pflanzlicher Zusammensetzung, Darreichungsform und der physiologischen Wirkung im Pferdekörper zu unterscheiden. Denn obwohl alle drei Pflanzen bestimmte Vorteile bieten, ersetzen sie weder echtes Raufutter noch klassisches Kraftfutter im engeren Sinn.

Allen drei Futtermitteln ist gemeinsam, dass sie von Natur aus einen hohen Rohfaseranteil und nur geringe Mengen an Stärke und Zucker enthalten. Die Energie stammt überwiegend aus der Fermentation im Dickdarm und nicht aus schnell verfügbaren Kohlenhydraten. Dadurch bleibt der Blutzuckerspiegel weitgehend stabil, was sie insbesondere für stoffwechselsensible Pferde interessant macht.

Strukturfasern im Futter ersetzen kein Raufutter

Entscheidend ist jedoch die Darreichungsform. Häcksel, Pellets oder Cobs aus Esparsette, Luzerne oder Grünhafer wirken zwar inhaltlich strukturreich, fördern aber keine ausreichende Kauaktivität und Speichelbildung wie Heu oder Weidegras. Strukturhäcksel werden zwar etwas länger gekaut als Pellets oder Cobs, erreichen jedoch nicht die physiologisch notwendige Kaurate, um die Futterpartikel ausreichend fein aufzuschließen. Im Vergleich zu Heu werden die Fasern nicht lange genug zerkleinert, sodass relativ lange Pflanzenbestandteile in den Dickdarm gelangen. Dort können diese unzureichend vorbereiteten Fasern die mikrobielle Fermentation stören und Fehlgärungen begünstigen. Das Problem liegt weniger in einer zu schnellen, sondern vielmehr in einer ungünstigen und unvollständigen Vorverdauung, die weder der natürlichen Futteraufnahme noch der Arbeitsweise der Darmflora entspricht (1).

Futtermittel, die in größerem Umfang auf Strukturhäcksel setzen, sind daher kritisch zu bewerten und für viele Pferde nicht empfehlenswert. Als Darreichungsform sind Cobs oder Pallets – trocken oder eingeweicht gefüttert – die einzig sinnvolle Variante.

Luzerne – eiweißreich mit besonderen Risiken

Luzerne zeichnet sich durch einen hohen Rohproteingehalt und einen vergleichsweise hohen Calciumanteil aus. Sie wird häufig eingesetzt, um schwerfuttrige Pferde oder Pferde mit erhöhtem Eiweißbedarf zu unterstützen. Die enthaltene Rohfaser wirkt stabilisierend auf den Darm, allerdings primär über den Inhaltsstoff und nicht über eine ausgeprägte mechanische Strukturwirkung.

Der hohe Calciumgehalt der Luzerne hat direkten Einfluss auf das Calcium-Phosphor-Verhältnis der Gesamtration. Da Heu und Weide in der Regel bereits calciumreich sind, kann eine zusätzliche Luzernefütterung das Verhältnis weiter zugunsten von Calcium verschieben. Kurzfristig ist ein moderater Calciumüberschuss meist gut regulierbar, langfristig kann er jedoch die Phosphorverfügbarkeit beeinträchtigen und das Mineralstoffgleichgewicht belasten. Daher sollte Luzerne stets im Gesamtkontext der Ration betrachtet und nicht pauschal ergänzt werden.

Ein weiterer Aspekt bei Luzerne sind die enthaltenen Oxalate. Diese können bei empfindlichen Pferden, insbesondere bei Tieren mit heller Haut oder geringer Pigmentierung, eine Photosensibilisierung begünstigen. Nicht jedes Pferd reagiert darauf, dennoch sollte dieser Punkt bei der Fütterung berücksichtigt werden. Für viele Freizeitpferde ist Luzerne aufgrund ihres hohen Eiweißgehalts insgesamt eher überdimensioniert und sollte nur gezielt und zeitlich begrenzt eingesetzt werden.

Esparsette – strukturreich mit funktionellem Zusatznutzen

Esparsette gilt als besonders gut verträglich und wird häufig bei empfindlichen oder schwerfuttrigen Pferden eingesetzt. Sie liefert moderate Mengen an Energie und Eiweiß, enthält aber vor allem kondensierte Tannine. Diese sekundären Pflanzenstoffe können die Darmflora stabilisieren, die Eiweißverwertung beeinflussen und bei manchen Pferden positiv auf Kotkonsistenz und Verdauung wirken (2).

Im Vergleich zur Luzerne ist Esparsette weniger eiweißlastig und bringt keine ausgeprägten Verschiebungen im Calcium-Phosphor-Verhältnis mit sich. Sie beeinflusst den Blutzuckerspiegel kaum und eignet sich gut als Ergänzung in getreidefreien oder reduzierten Rationen, insbesondere bei Pferden mit sensibler Verdauung.

Grünhafer – die Haferpflanze ohne Korn

Grünhafer besteht aus der gesamten oberirdischen Haferpflanze, die vor der Kornausreife geerntet wird. Der Erntezeitpunkt ist entscheidend: Wird Grünhafer vor oder kurz während der Blüte geschnitten, enthält er nur sehr geringe Mengen an Zucker und Stärke und ist reich an Rohfaser. Erfolgt die Ernte zu spät, steigt der Stärkegehalt deutlich an, wodurch sich seine Eignung für viele Pferde einschränkt (3).

Grünhafer liefert Energie überwiegend aus Rohfaser und liegt energetisch zwischen Heu und klassischem Haferkorn. Seine stoffwechselphysiologische Wirkung unterscheidet sich jedoch deutlich vom Hafergetreide, da keine relevanten Insulin- oder Blutzuckerspitzen ausgelöst werden. Zusätzlich enthält Grünhafer natürliche Mineralstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie Kieselsäure, Flavonoide und Saponine, die unterstützend auf Stoffwechsel, Immunsystem und Bindegewebe wirken können (3).

Auch hier gilt: Grünhafer ist eine Ergänzung zum Raufutter, kein Ersatz. Seine Wirkung entfaltet er vor allem über seine Zusammensetzung, nicht über eine verlängerte Fressdauer.

Einordnung und Grenzen

Luzerne, Esparsette und Grünhafer liefern strukturreiche Inhaltsstoffe, aber keine schnelle Energie. Sie sind keine klassischen Kraftfutter, sondern Ergänzungen, die gezielt eingesetzt werden sollten. Besonders bei stoffwechselsensiblen Pferden oder in getreidefreien Fütterungskonzepten können sie sinnvoll sein, solange ihre Grenzen beachtet werden.

Diese Futtermittel sind kein Ersatz für Heu oder Weidegras. Sie können jedoch in bestimmten Situationen sinnvoll ergänzen, etwa bei älteren Pferden mit reduziertem Heuaufnahmevermögen, bei Heu mit sehr niedrigem Rohproteingehalt oder im Rahmen eines gezielten Muskelaufbaus, wenn zusätzliches, strukturgebundenes Eiweiß benötigt wird. Voraussetzung ist immer eine stabile Raufutterbasis.

Fazit

Esparsette, Luzerne und Grünhafer sind wertvolle Ergänzungen zur Raufutterbasis, wenn sie bewusst und passend zum Pferd eingesetzt werden. Sie liefern Struktur im inhaltlichen Sinn, beeinflussen den Blutzuckerspiegel kaum und können die Verdauung unterstützen. Echte Heustruktur ersetzen sie jedoch nicht – und Kraftfutter im klassischen Sinn sind sie ebenfalls nicht. Eine fachlich fundierte Einordnung hilft, Fehlanwendungen zu vermeiden und die Vorteile dieser Futtermittel sinnvoll zu nutzen.

Quellen

(1) https://sanoanimal.de/pferd/pferdefuetterung/kraftfutter/sind-strukturhaecksel-gesund--a/
(2) https://sanoanimal.de/pferd/pferdefuetterung/kraftfutter/esparsette-fuer-schwerfuttrige-pferde-a/
(3) https://sanoanimal.de/pferd/pferdefuetterung/kraeuter/kraeutertipp-gruenhafer-a/

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