Mykotoxine und Schimmel im Heu
Heu ist die wichtigste Grundlage einer artgerechten Pferdefütterung – rohfaserreich, strukturgebend und lebensnotwendig für eine gesunde Verdauung. Doch nicht jedes Heu, das gut aussieht oder angenehm riecht, ist auch wirklich gesund. Schon kleine Fehler bei der Ernte, der Trocknung oder der Lagerung können zur Bildung von Schimmelpilzen führen. Diese Pilze und ihre Stoffwechselprodukte, die sogenannten Mykotoxine, sind meist unsichtbar, hitzestabil und hochgiftig. Sie belasten nicht nur den Verdauungstrakt, sondern auch die Atemwege und können die Gesundheit der Pferde langfristig massiv beeinträchtigen.
Vom Schnitt bis zum Ballen – wie Schimmel entsteht
Schimmel beginnt nicht erst in der Scheune, sondern kann schon während der Ernte entstehen. Wird das Gras sehr feucht gemäht oder gerät es während der Trocknung in einen Regenschauer, steigt das Risiko für mikrobielle Aktivität stark an. Die im Gras vorhandenen Bakterien und Pilze beginnen sofort, das Pflanzenmaterial zu zersetzen. Auch wenn das Gras anschließend zu früh gepresst wird, bleibt zu viel Restfeuchtigkeit im Ballen – der Grundstein für späteren Verderb.
In den ersten Tagen nach dem Pressen beginnt die sogenannte Ablagerungsphase, die 8 bis 12 Wochen dauert. Das Heu „arbeitet“ und durch die Restfeuchtigkeit im Balleninneren entsteht durch mikrobielle Prozesse Wärme. Wenn der Ballen zu dicht ist oder die Luftzirkulation fehlt, staut sich diese Wärme – es kommt zu Nacherwärmung. Steigt die Temperatur über 50 Grad, verlieren die Nährstoffe an Qualität; über 60 Grad können sich Schimmelpilze explosionsartig vermehren. Besonders gefährdet sind große Quader- und Rundballen, in denen die Feuchtigkeit schlechter entweichen kann.
Selbst top eingebrachtes Heu kann während der Winterlagerung verschimmeln. Feuchtigkeit kann aus der Umgebungsluft in die Ballen eindringen, wenn die Scheune schlecht belüftet oder zu kalt ist. Kondenswasser, das sich bei Temperaturwechseln an der Ballenoberfläche bildet, zieht in die äußeren Schichten ein und schafft ideale Lebensbedingungen für Schimmelpilze. Liegen Ballen direkt auf dem Boden oder an Außenwänden, reicht schon eine geringe Feuchteaufnahme, um das Gleichgewicht zu kippen. Besonders kritisch sind Ballen, die mit Folie abgedeckt werden, ohne dass ein Luftaustausch stattfinden kann – unter der Abdeckung sammelt sich Kondenswasser, und die Feuchtigkeit kann nicht entweichen.
Schimmelpilze und ihre Gifte
Die wichtigsten Schimmelpilze im Heu gehören zu den Gattungen Aspergillus, Penicillium, Fusarium und Mucor. Einige dieser Arten bilden Mykotoxine wie Aflatoxine, Ochratoxine, Trichothecene oder Zearalenon – hochwirksame Gifte, die Leber, Niere, Immunsystem und Hormonhaushalt belasten. Besonders tückisch ist, dass diese Gifte bereits während der Schimmelbildung im Heu entstehen und anschließend unverändert im Futter bleiben. Sie sind hitzestabil, werden durch Bedampfen oder Wässern nicht zerstört und können sich im Körper anreichern.
Pferde, die über längere Zeit mit solchen Toxinen belastetes Heu fressen, zeigen unspezifische Symptome: Appetitlosigkeit, Leistungsabfall, stumpfes Fell, Verdauungsstörungen, Hautprobleme oder erhöhte Leberwerte. Bei empfindlichen Tieren kann die Entgiftungskapazität der Leber schnell überfordert sein, was sekundär Stoffwechselstörungen, Hufrehe oder hormonelle Dysbalancen begünstigt.
Schimmelsporen in der Luft – Gefahr für die Atemwege
Die Schimmelsporen sind ein ernstes Risiko für die Atemwege. Beim Auflockern oder Füttern von Heu werden Millionen mikroskopisch kleiner Sporen freigesetzt, die tief in die Lunge gelangen. Dort lösen sie Reizungen und Entzündungen der Schleimhäute aus. Pferde mit empfindlichen Atemwegen oder bestehendem COBD (Chronic Obstructive Pulmonary Desease) reagieren besonders stark. Schon geringe Sporenmengen können Husten, Atemnot, Nasenausfluss und eine deutlich verminderte Leistungsfähigkeit auslösen.
Dauerhafte Belastung führt zu strukturellen Veränderungen der Atemwege. Die Schleimhäute schwellen an, die Bronchien verengen sich, und es entsteht eine chronische Entzündung. Gleichzeitig schwächen die eingeatmeten Pilzbestandteile das Immunsystem und machen die Lunge anfälliger für bakterielle Infektionen. Schimmelsporen im Stallstaub sind dabei ebenso gefährlich wie Toxine im Futter – beides stammt meist aus der gleichen Ursache: feuchtes, schlecht gelagertes Heu.
Eine wirksame Maßnahme, um die Belastung durch Schimmelsporen in der Atemluft zu reduzieren, ist das Bedampfen des Heus. Durch die Behandlung mit heißem Dampf werden die Sporen an der Oberfläche gebunden und weitgehend unschädlich gemacht, ohne dass die Nährstoffqualität des Futters nennenswert leidet. Auch das einfache Befeuchten des Heus kurz vor der Fütterung kann bereits helfen, aufgewirbelte Staub- und Sporenpartikel zu verringern. Wichtig ist jedoch, angefeuchtetes Heu zeitnah zu verfüttern, um eine erneute mikrobielle Vermehrung zu vermeiden.
Unsichtbarer Verderb – warum ein Fleck den ganzen Ballen betrifft
Schimmelpilze breiten sich im Heu netzartig aus. Eine sichtbare schimmlige Stelle ist nur der Teil, den man erkennt – im Inneren hat der Pilz längst weite Bereiche befallen. Selbst wenn man die befallene Stelle entfernt, bleiben Sporen und Mykotoxine im gesamten Ballen verteilt. Solches Heu gehört grundsätzlich nicht mehr in die Fütterung. Auch Ballen, die stark nach Karamell oder Süßholz riechen, sind kritisch. Der Geruch weist auf eine Nacherwärmung hin, bei der Nährstoffe zerstört und Pilze aktiv waren.
Analyse, Maßnahmen und Toxinbinder
Eine Laboranalyse gibt Aufschluss über Schimmelsporen, Hefen und Mykotoxine. Bei stark belastetem Heu helfen technische Verfahren nicht mehr. Bedampfen reduziert Sporen, verbessert die Atemluft und kann bei Allergikern hilfreich sein, beseitigt aber keine Mykotoxine. Wässern bindet Staub, kann aber bei längerer Einweichzeit über eine Stunde neues Bakterienwachstum fördern.
Toxinbinder können Mykotoxine im Darm binden und deren Aufnahme in den Blutkreislauf vermindern. Sie wirken physikalisch durch Adsorption oder biologisch über Enzyme und Mikroorganismen. Ihre Wirksamkeit hängt vom Toxin ab: Aflatoxine lassen sich gut binden, Fusarium-Toxine nur bedingt. Für Pferde zugelassene Stoffe sind Bentonit, Klinoptilolith und Zeolith. Auf Produkte mit Lebendhefen sollte grundsätzlich verzichtet werden – sie können die Darmflora der Pferde verändern und Darmprobleme begünstigen. Ein Toxinbinder kann also nur ergänzend eingesetzt werden, niemals als Ersatz für hygienisch einwandfreies Futter.
Vorbeugung – vom Feld bis zur Futterraufe
Schimmel lässt sich nur verhindern, wenn alle Schritte vom Schnitt bis zur Lagerung stimmen. Gras darf erst gepresst werden, wenn es wirklich durchgetrocknet ist und die Restfeuchte unter 15 Prozent liegt. Nach dem Pressen müssen die Ballen in einer gut belüfteten, trockenen Umgebung lagern. Während der Lagerung sollte die Temperatur regelmäßig kontrolliert werden, da schon eine geringe Erwärmung auf mikrobielle Aktivität hinweist. Ballen dürfen weder an Außenwänden noch auf dem Boden liegen, um Feuchtigkeit von außen zu vermeiden. Auch während des Winters kann Heu verderben, wenn sich Kondenswasser bildet oder Luftfeuchtigkeit nicht entweichen kann.
Fazit
Schimmel und Mykotoxine sind unsichtbare, aber ernste Gefahren. Sie entstehen, wenn Feuchtigkeit, Wärme und Zeit zusammenkommen – und wirken sich auf nahezu alle Organsysteme des Pferdes aus. Während Mykotoxine die inneren Organe und den Stoffwechsel belasten, gefährden Schimmelsporen die Atemwege und führen häufig zu chronischem Husten oder Asthma. Gutes Heu entsteht nicht zufällig, sondern ist das Ergebnis sorgfältiger Ernte, kontrollierter Lagerung und wachsamer Qualitätsprüfung. Wer darauf achtet, schützt die Gesundheit seiner Pferde dauerhaft – Bissen für Bissen und Atemzug für Atemzug.
